Das Boot
Mit letzter Kraft zerrte der hagere Mann sein Schlauchboot zum nahegelegenen See. Es war gelb, nur halb aufgeblasen, so als wäre jemandem währenddessen die Puste ausgegangen, und darum recht unförmig. Zwei abgekaute Ruder ragten aus dem Inneren empor, so als wäre es schon häufig zu Wasser gelassen worden. Seine Frau lächelte ihm vom Ufer aus aufmunternd zu. An beiden Händen hielt sie je ein Kind, zwei Jungen, der eine etwa drei, der andere vielleicht fünf, und beide winkten ihm zu. “Komm, Papa!”, schrie der Kleinere mit vor Aufregung schriller Stimme und der Vater, bereits klatschnass geschwitzt, verstärkte seine Mühen. Währenddessen hatte sich eine lange Schlange vor dem Bootsverleih gebildet und die Anstehenden warfen dem abgeschafften Mann verwirrte, ja teils sogar missbilligende Blicke zu. Was bildet der sich ein, dachten sie, sein eigenes Schlauchboot hier zu Wasser lassen zu wollen? Hat der denn keinen Anstand? Die eine wollte schon den Mund aufmachen und ihrem Empören zeternd Luft verschaffen, als man den Kleinen erneut rufen hörte, jauchzend vor Vorfreude. “Papa!” Die Anstehende sah dem Kind für einige Momente ins Gesicht, dann auf den klaren, türkisfarbenen See, der in der Sonne glitzerte wie Abermillionen Diamanten, und ihre Züge wurden weich. Sie hob das hintere Ende des gelben Bootes an und half dem verzweifelten Vater, das widerspenstige Ding endlich ans Ufer zu legen. Dankbar und müde wollte der Mann gerade zu einem Wort des Dankes ansetzen, als die Frau ihm zuvorkam. “Der Freiheit wegen”, sagte sie sanft, “sie kommt und geht so schnell”, sprach’s, drehte sich um und ging.
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